
Die großen Energieversorger E.ON und RWE haben zusammen mit der sogenannten Flexibility Leaders Alliance (FLA) neue Vorschläge für das deutsche Stromnetz gemacht. Die Unterzeichner sagen, sie wollen die Energiewende schneller, günstiger und flexibler machen. Aber wenn man genauer hinschaut, zeigt sich: Ihre Ideen bedeuten vor allem mehr Kontrolle für große Konzerne – und weniger Freiheiten für Handwerker, Hausverwalter und private Stromerzeuger. Die Vorschläge folgen auf ein kürzliches veröffentlichtes Positionspapier von RWE und E.ON.
Was heißt eigentlich Flexibilität?
Flexibilität im Stromsystem heißt: Strom soll dann genutzt oder gespeichert werden, wenn er gerade verfügbar und günstig ist. Dafür braucht es clevere Steuerung, digitale Technik – und vor allem Menschen und Unternehmen, die mitmachen. Also z. B. Haushalte mit Solaranlage, Batteriespeicher oder Wärmepumpe.
Was wollen E.ON, RWE und die FLA? Auf den ersten Blick klingen die Vorschläge gut:
- Flexibilität soll sich lohnen
- Digitale Zähler (Smart Meter) sollen schneller kommen
- Weniger Bürokratie bei der Vermarktung von Strom
Aber entscheidend ist: Wie genau soll das organisiert werden? Die großen Anbieter wollen neue Rollen übernehmen, zum Beispiel als sogenannte „Flexibilitätsaggregatoren“. Das bedeutet: Sie wollen Stromverbrauch und -erzeugung in vielen Haushalten zentral steuern – und damit Geld verdienen. Die Technik liefern zwar andere, aber die Kontrolle behalten die Großen.
Zentral oder dezentral? Beides zugleich?
Die FLA redet von Dezentralität – wir sagen aber, ihre Vorschläge führen in die andere Richtung. Wie passt das zusammen? Die Technik steht zwar in vielen Haushalten und Betrieben (also dezentral). Aber gesteuert werden soll sie zentral – über digitale Plattformen, die meist von großen Konzernen betrieben werden.
Wer entscheidet, wann Strom genutzt, gespeichert oder verkauft wird, hat auch die wirtschaftliche Macht. Große Plattformbetreiber könnten kleine Anbieter, Handwerker und Eigentümer an den Rand drängen.

Nachteile einer Zentralisierung
- Weniger Auswahl für Hausverwalter und Eigentümer
- Weniger Spielraum für das Handwerk
- Weniger Kontrolle für die Leute, die Solaranlagen betreiben oder ihren selbst erzeugten Strom an Mieter verkaufen möchten
Das erinnert mehr an das alte Energiesystem – mit wenigen großen Playern – als an eine moderne Energiewende, bei der viele mitgestalten.
Was bedeutet das für Handwerker? Wenn sich die Vorschläge durchsetzen, könnten Handwerksbetriebe bald nur noch die Technik installieren – die Planung und Steuerung übernehmen zentrale Plattformen. Der persönliche Kontakt und das Fachwissen vor Ort verlieren an Bedeutung. Auch die regionale Wertschöpfung nimmt ab. Dabei sind es oft gerade die Elektriker und Installateure, die Mieterstromlösungen und lokale Stromnutzung überhaupt erst möglich machen.
Und für Immobilienverwalter? Für Verwalter von Mehrfamilienhäusern könnte das bedeuten: Heute kann man noch selbst entscheiden, mit wem man zusammenarbeitet. Künftig könnte ein zentraler Anbieter vorschreiben, welche Technik eingesetzt wird und wie der Strom genutzt wird.
Forschung bestätigt: dezentrale Kontrolle notwendig
Die BEE-Studie Eine Studie vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) zeigt: Flexibilität ist wichtig – aber sie muss regional, dezentral und wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden.
Die wichtigsten Punkte:
- Dezentrale Lösungen senken die Kosten für das ganze System
- Regionale Flexibilitätsmärkte helfen, Netzprobleme zu vermeiden
- Wenn zu viel zentral gesteuert wird, steigen die Risiken: schlechte Preise, weniger Investitionen in Erneuerbare, Probleme bei der Versorgungssicherheit
Ein sicheres und stabiles Energiesystem braucht viele starke, dezentrale Strukturen – nicht eine Lösung von oben.
Der Weg PIONIERKRAFT
PIONIERKRAFT steht für echte Dezentralität. Unsere Idee: Wer Solarstrom erzeugt, soll ihn auch einfach und lokal teilen können. Ohne unnötige Hürden, mit fairen Regeln.
Das bedeutet:
- Eigentümer behalten die Kontrolle über ihren Strom und können ihn bei Bedarf an Mieter weiterverkaufen
- Handwerker bleiben die wichtigsten Partner vor Ort für Mieterstromlösungen und Solartechnik
- Immobilienverwalter bekommen einfache, flexible Mieterstrommodelle, die zur lokalen Stromnutzung beitragen
Was muss die Politik tun?
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt: Die neue Bundesregierung kann die Weichen stellen für ein Energiesystem, das vielen gehört – nicht nur wenigen. Deshalb fordern wir:
- Offene Technikstandards: Damit jeder mitmachen kann
- Unterstützung für dezentrale Lösungen: Zum Beispiel durch bessere Regeln für Mieterstrom und lokale Speicher
- Regionale Strommärkte aufbauen: Wie in der BEE-Studie und anderen Studien empfohlen
- Verbraucher müssen frei wählen können: Keine Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter
Fazit: Die Energiewende gelingt nur gemeinsam
Flexibilität im Strommarkt ist wichtig. Aber sie darf nicht bedeuten, dass ein paar große Unternehmen alles bestimmen. Nur so entsteht ein Energiesystem, das sicher, bezahlbar und gerecht ist.
Zum Weiterlesen:
- Das Fraunhofer FIT (2023) betont, dass wirtschaftliche Anreize wie variable Stromtarife und lokale Strommärkte – z. B. durch Peer-to-Peer-Handel – helfen können, Flexibilität effizient zu nutzen und Kosten zu senken.
- Ein Bericht von Agora Energiewende (2016) zeigt, dass Dezentralität die Akzeptanz der Energiewende stärkt, die Bürgerbeteiligung fördert und die lokale Wertschöpfung erhöht.
- Eine Analyse des Bündnis Bürgerenergie (2021) unterstreicht, wie wichtig dezentrale Ansätze für den zügigen Ausbau erneuerbarer Energien sind und wie sie die regionale Entwicklung unterstützen.
- Kritische Einordnung des RWE/E.ON Positionspapiers auf dem PIONIERKRAFTblog